Dort steht sie, die brennende Kerze. Entzündet am heutigen Totensonntag. Sie brennt für all die, für die ich dieses Jahr eine Traueransprache gestaltet habe.
So viele Menschen, die ich nie persönlich habe kennen lernen dürfen.
So unterschiedliche Lebenswege, Überzeugungen und Geschichten habe ich gehört.
Sie haben gelebt und gehofft
Sie haben geliebt und gelacht
Sie haben gelitten und geweint
Sie haben gefeiert und getrauert
Sie wurden erwartet und mussten trotzdem gehen
Sie haben Grenzen erfahren und Horizonte überschritten
Manche hatten ein langes Leben
Manche starben so jung
Manche haben geheiratet
Manche waren immer allein
Manche haben geglaubt
Manche ihre Träume ausgelebt
Manche haben Großes bewegt
Manche haben die Welt bereist
Manche haben niemals Ihre Heimat verlassen
Manche haben Ihre Kinder zu Grabe getragen
Manche wurden von Ihren Eltern beerdigt
Manche haben Ihre Urenkel gesehen
Manche haben niemals das Licht der Welt erblickt
Manche haben das große Los gezogen
Manche haben ihr Schicksal ertragen
Manche haben Häuser gebaut
Manche sind ausgebombt worden
Manche haben schrecklich gelitten
Manche starben friedlich und still
Manche haben die Krankheit besiegt
Und doch sind sie alle fort
Ich zünde eine Kerze für sie an.
Ein Gebet spreche ich für sie.
Wir bleiben, auch wenn sie gehen.
Wir gehen weiter, auch wenn sie bleiben, wo immer sie jetzt sind.
In einem altchristlichen Segensgebet heißt es:
Der Herr sei vor dir,
Um dir den rechten Weg zu zeigen.
Der Herr sei neben dir,
Um dich in die Arme zu schließen.
Der Herr sei hinter dir,
Um dich zu bewahren Der Herr sei unter dir,
Um dich aufzufangen,
Wenn du fällst, und dich
Aus der Schlinge zu ziehen.
Der Herr sei in dir,
Um dich zu trösten,
Wenn du traurig bist.
Der Herr sei um dich herum,
Um dich zu verteidigen,
Der Herr sei über dir,
Um dich zu segnen.
Es segne Dich der gütige Gott.